Das Wichtigste in Kürze:
- Wie ein ETF genau seinen Index nachbildet, kann im Einzelfall durchaus recht kompliziert und schwer nachvollziehbar sein. Es ist aber kein entscheidendes Auswahlkriterium. Der Rechtsrahmen ist für alle Verfahren derselbe.
- Lesen Sie hier einen kurzen Überblick über die gängigen Verfahren.
Alle drei Verfahren - vollständig, optimiert und synthetisch - haben ihre Berechtigung. Wir stellen die Verfahren hier nur in aller Kürze vor. Wenn Sie genau wissen wollen, was mit Ihrem Geld passiert, das Sie in einen ETF anlegen, müssen Sie sich den Verkaufsprospekt und den Jahresbericht eines ETFs anschauen, für den Sie sich interessieren.
So funktioniert die vollständige Replikation
"Vollständige Replikation" (auch: physische Replikation) bedeutet, dass ein ETF tatsächlich alle Wertpapiere besitzt, die auch in dem Index enthalten sind, den der Fonds abbildet. Verfolgt ein vollständig replizierender ETF also die Wertentwicklung des DAX, dann enthält er zu jeder Zeit Aktien der 40 Unternehmen im DAX. Der Anteil jeder einzelne Aktie am Fondsvermögen ist genauso groß wie die Gewichtung dieser Aktie im Index.
Die Zusammensetzung von Indizes ändert sich in regelmäßigen Abständen: Aktien werden neu aufgenommen oder verlassen einen Index. Wenn das passiert, vollzieht der ETF die Bewegungen im Index nach - durch den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren.
Ein großer Nachteil dieses Verfahrens zur Abbildung eines Index sind die Kosten - vor allem bei Indizes, die sehr viele verschiedene Aktien enthalten. So besteht der europäische Aktienindex DJ Stoxx 600 seinem Namen gemäß aus 600 Einzelaktien. Der MSCI World umfasst sogar mehr als 1600 Werte. Zur Abbildung solcher Indizes müssten vollständig replizierende ETFs also relativ häufig Aktien kaufen und verkaufen - und dabei Gebühren und andere Kosten in Kauf nehmen. Hinzu kommen mögliche Nachteile durch die Besteuerung von Dividenden oder die Verzögerung von Dividendenzahlungen an den Fonds, die den Index selbst nicht betreffen.
Meist behalten die Anbieter dieser ETFs sich das Recht vor, die im Besitz befindlichen Aktien zu verleihen. Den Vorgang nennt man Wertpapierleihe. Welcher Teil dieser Erträge den Anlegern zufließt, ist im Prospekt geregelt. Das Risiko der Wertpapierleihe ist gesetzlich begrenzt, denn ohne Stellung hochwertiger liquider Sicherheiten ist sie nicht erlaubt.
So funktioniert die optimierte Replikation
"Optimierte Replikation" (auch: physische Replikation mittels Sampling) bedeutet, dass ein ETF nur einen Teil derjenigen Wertpapiere besitzt, die auch in dem Index enthalten sind, den der Fonds abbildet. Verfolgt ein ETF also die Wertentwicklung des MSCI All Country World oder des FTSE All World, dann enthält er nicht alle über 3000 Aktien, die im Index enthalten sind, sondern trifft eine Auswahl. Diese Einschränkung gefährdet aber nicht das Ziel des ETF, denn die Wertentwicklung entspricht trotzdem fast genau derjenigen des Index.
Der Vorteil der geringeren Kosten durch eine optimierte Replikation soll größer sein als der Nachteil einer etwas geringeren Risikostreuung. Deshalb ist die optimierte Replikation auch die am weitesten verbreitete. Die Wertpapierleihe wird hier ebenso praktiziert wie bei vollständiger Replikation.
So funktioniert die synthetische Replikation
Bei der synthetischen Replikation (auch: Swap-ETFs) bildet der ETF einen Index ab ohne die Wertpapiere tatsächlich zu besitzen, die in dem Index enthalten sind. In der Praxis bedeutet das: Ein ETF, der den DAX abbildet, muss keine einzige Aktie besitzen, die im DAX enthalten ist. Er kann zum Beispiel aus ganz anderen Aktien bestehen oder auch aus einigen Anleihen oder auch aus nur einer einzigen Swap-Position.
Wie schafft er es dann aber, die Entwicklung des DAX nachzuvollziehen? Dazu dient der so genannte Swap. Das ist eine Vereinbarung, die der ETF mit einer Investmentbank abschließt. Bei ETFs, die von einer Fondsgesellschaft herausgegeben werden, die Teil eines Bankkonzerns sind, wird der Swap meist mit der Investmentbank des Konzern abgeschlossen. Durch diese Vereinbarung verpflichtet sich die Investmentbank, dem Fonds zu jeder Zeit die Wertentwicklung des abzubildenden Index zu liefern. Im Gegenzug erhält die Investmentbank die Wertentwicklung des Wertpapierkorbs, den der Fonds tatsächlich besitzt. Ein Swap ist also letztlich ein Tausch - und das ist auch die deutsche Bedeutung des englischen Wortes "Swap".
Die synthetische Replikation soll die Kosten der Indexabbildung senken. Ein Nachteil soll die hohe Komplexität sein, aber bei genauerer Betrachtung sind alle Investmentfonds komplexe Geldanlagen, dazu reicht schon ein Blick in die umfangreichen Verkaufsprospekte. Teilweise wird argumentiert, das Risiko sei hier höher als bei vollständig replizierenden Fonds. Denn der Swap-Vertragspartner (die Investmentbank) könne zahlungsunfähig werden - und in diesem Fall kann ein Teil des Fondsvermögens verlorengehen. Allerdings ist dieses Risiko auch bei allen anderen Fonds vorhanden, denn der Erwerb von Swaps und OTC-Derivaten ist gang und gäbe, und die bei replizierenden Fonds praktizierte Wertpapierleihe birgt ebenfalls das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des Vertragspartners.
Auch hinsichtlich der ausgewiesenen laufenden Kosten gibt zwischen ETFs mit Swap und anderen ETFs praktisch keine Unterschiede. Die laufenden Kosten enthalten sowohl eventuelle Kosten für die bei synthetischen ETFs anfallenden Swaps als auch die Kosten einer eventuellen Wertpapierleihe bei den übrigen Fonds.
Wenn Aktienfonds keine Aktien halten
Dass Aktienfonds ihre Aktien verleihen dürfen, dass sie auch komplexe Derivate kaufen oder Swap-Vereinbarungen abschließen dürfen, mag einige Anleger irritieren. Tatsächlich begrenzen nur ganz wenige Fonds gemäß Verkaufsprospekt ihr Anlageuniversum und schließen etwa Swap-Vereinbarungen oder die Wertpapierleihe aus. EU-weite rechtliche Vorgaben begrenzen das dadurch entstehende theoretische Risiko auf zehn Prozent des Fondsvermögens.
Dieses Risiko würde sich nur dann realisieren, wenn die für die Swap-Vereinbarungen oder für die Wertpapierleihe zu hinterlegenden Sicherheiten wertlos würden. Dazu kam es bislang nicht, auch nicht während der letzten Finanzkrise. Wenn Sie mögliche Interessenkonflikte ausschließen wollen, die zwischen konzerneigener Fondsgesellschaft und Investmentbank bestehen könnten, weichen Sie auf ETFs von Anbietern aus, die nicht Teil eines Bankenkonzerns sind.