Nachzahlungs-Schock: Erste Hilfe bei zu hoher Nebenkosten-Abrechnung

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Viele Verbraucher:innen finden bald die Abrechnungen für Strom, Gas und Fernwärme im Briefkasten. Die Rechnungen können so hoch sein, dass manche Mieter:innen sie nicht oder nicht sofort bezahlen können. Die gute Nachricht: Verbraucher:innen können unter Umständen eine Ratenzahlung vereinbaren.
Energiesparberatung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Gewinnen Sie Zeit und verschaffen Sie sich einen Überblick.
  • Handeln Sie schnell, um sich Planungssicherheit zu verschaffen.
  • Fechten Sie nachgewiesen fehlerhafte Rechnungen an.
  • Holen Sie sich Unterstützung bei den richtigen Ansprechpartner:innen.
  • Beantragen Sie Bürgergeld als Notfallhilfe.
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Nebenkosten-Rechnung: Was tun, wenn ich die Nachzahlung nicht stemmen kann?

Sie blicken mit Sorge auf die Heizkosten- und Stromrechnung nach dem Energiekrisen-Winter? Damit sind Sie nicht allein. Viele Menschen machen sich aktuell große Sorgen über die extrem gestiegenen Energiepreise.

Hohe Nachzahlungen stellen besonders Menschen mit geringem Einkommen vor erhebliche Schwierigkeiten. Aber auch für viele, die normalerweise finanziell gut über die Runden kommen, kann es dieses Jahr knapp werden. Denn die Inflation hat bei vielen Haushalten die finanziellen Puffer ausgedünnt.

Die Lage ist mit den staatlichen Preisbremsen auf der einen Seite und den ohnehin schon komplizierten Nebenkostenabrechnungen auf der anderen Seite unübersichtlich.

Stimmt meine Heiz- und Stromrechnung überhaupt? Was kann ich tun, wenn ich mir die Kosten für Heizung und Strom nicht mehr leisten kann?

Der Nebenkosten-Schock: Viele Menschen sind betroffen

Heiz- und Nebenkosten sind zurzeit das wichtigste Beratungsthema nicht nur bei den Verbraucherzentralen, sondern auch bei anderen unabhängigen Beratungsstellen. Aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise sehen sich viele Mieter:innen mit einer hohen Nachzahlung konfrontiert. Darauf war kaum jemand vorbereitet.

Die größte Sorge vieler Menschen: Sie fürchten, dass Vermieter:innen ihnen fristlos ihre Wohnung kündigen, wenn sie ihre Nebenkostennachzahlung jetzt nicht fristgerecht begleichen können.

Bis es zu diesem Worst-Case-Szenario kommt, stehen Ihnen aber noch viele Auswege offen. Ganz wichtig: Sie sind mit diesen Problemen nicht alleine.

Was tun? Zeit gewinnen und Klarheit schaffen

Nebenkosten-Rechnungen sind oft nicht korrekt.

Bevor Sie sich über die Zahlung der Rechnung Gedanken machen, sollten Sie also zunächst einmal die Nebenkostenabrechnung genau unter die Lupe nehmen. Denn die Expert:innen des Deutschen Mieterbundes wissen: Die Hälfte aller Abrechnungen sind fehlerhaft.

Vermieter:innen müssen diese Fehler korrigieren, wenn die Mieter:innen sie darauf aufmerksam machen. Ein formeller Fehler kann sogar dazu führen, dass eine Nachzahlung hinfällig wird.

In jedem Fall aber müssen Vermieter:innen Ihnen eine neue, korrekte und ordnungsgemäße Abrechnung zusenden. Während dieser Zeit verschiebt sich die Zahlungsfrist nach hinten. Das verschafft Ihnen Zeit, einen finanziellen Engpass in den Griff zu bekommen und sich Rat und Hilfe zu suchen.

Fehlerhafte Rechnungen anfechten: Wie geht das?

Wer den berechtigten Verdacht hat, dass die Rechnung nicht korrekt erstellt wurde, sollte zunächst Widerspruch einlegen. Berechtigt heißt, dass Sie nicht einfach auf gut Glück den Rechnungsbetrag beanstanden dürfen, sondern Ihre Bedenken gut begründen müssen. Bei dieser Begründung hilft Ihnen dieser Musterbrief. Rat und Hilfe bieten auch unabhängige Expert:innen in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen oder des Deutschen Mieterbundes in Ihrer Nähe.

Ruhe bewahren, und: nicht abwimmeln lassen

Auch wenn Ihre Vermieter:innen davon nicht begeistert sein mögen: Sie haben das Recht, sämtliche Rechnungen und Belege, auf denen Ihre Abrechnung beruht, einzusehen. Nehmen Sie dieses Recht wahr, fertigen Sie Kopien an und lassen Sie Expert:innen einen Blick darauf werfen. Vermieter:innen dürfen Sie hier nicht mit Datenschutzbedenken abwimmeln.

So lange Vermieter:innen keine Einsicht gewähren, so lange haben Mieter:innen das Recht, sowohl Nach- als auch Vorauszahlungen zurückzuhalten. Die Verbraucherzentralen haben für Sie die wichtigsten Punkte für eine erste Prüfung Ihrer Heizkostenabrechnung zusammengestellt.

Schnell handeln: Planungssicherheit schaffen

Mit dem Versenden des Widerspruchs sollten Sie keinesfalls zu lange warten. Sie haben zwar grundsätzlich zwölf Monate Zeit, um gegen Ihre Nebenkostenabrechnung schriftlich Widerspruch einzulegen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Sie währenddessen die Zahlungsfrist nicht einhalten müssen. Ganz im Gegenteil: Mieter:innen müssen fristgerecht innerhalb von 30 Tagen zahlen.

Nicht beglichene Nachzahlungen können sonst sogar zur Kündigung der Wohnung durch Vermieter:innen führen. Das ist dann der Fall, wenn die geschuldete Nachzahlung einen gewissen Betrag übersteigt – in der Regel die Höhe von zwei Monatsmieten.

Das heißt: Sie sollten die Abrechnung so schnell wie möglich prüfen und beim Verdacht auf Fehler umgehend Widerspruch einlegen. Mögliche Abrechnungsfehler sollten Sie unbedingt noch innerhalb der Zahlungsfrist geltend machen.

Finanzielle Unterstützung: Wo bekomme ich Hilfe?

Was können Sie nun tun, wenn Sie sich den – korrekten – Rechnungsbetrag gerade nicht leisten können?

Zunächst können Mieter:innen versuchen, eine gemeinsame Lösung mit ihren Vermieter:innen zu finden, etwa indem Sie Ratenzahlungen vereinbaren. Vermieter:innen sind aber nicht verpflichtet, sich auf solche Lösungen einzulassen – Sie sind also auf deren freiwilliges Entgegenkommen angewiesen.

Zudem sollten Sie prüfen, ob Sie Anspruch auf staatliche Unterstützung haben, um die Rechnung fristgerecht zu bezahlen.

Hilfe beantragen: Wer ist der oder die richtige Ansprechpartner:in?

Staatliche Hilfen gibt es in so einem Fall entweder beim Sozialamt, beim Jobcenter oder der Wohngeldstelle. Aber wer wendet sich an welche Behörde?

  • Das Sozialamt ist der richtige Ansprechpartner für Rentner:innen, die sich ihre Nebenkostenabrechnung nicht leisten können. Ebenso wenden sich all jene an ihre Ansprechpartner:innen beim Sozialamt, die erwerbsgemindert sind.
    Gut zu wissen: Das Sozialamt übernimmt nur Heizkosten, keine Stromkosten für Licht und elektronische Geräte. Nur wer tatsächlich mit Strom heizt, erhält Hilfen bei der Zahlung der Stromrechnung.
  • Das Jobcenter ist der richtige Ansprechpartner für alle erwerbsfähigen Menschen, die aufgrund ihres Einkommens sonst keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, jetzt aber in finanzielle Nöte geraten.
    Wenn Sie eine hohe Nebenkostennachzahlung leisten müssen, beantragen Sie dort das sogenannte Bürgergeld für einen Monat. Es hilft, einen kurzfristigen finanziellen Engpass auszugleichen.
    Gut zu wissen: Studierende haben keinen Anspruch auf einen solchen Zuschuss. Sie können aber ein Darlehen bekommen, wenn ihnen eine Strom- oder Gassperre droht.

 

Bürgergeld als Notfall-Hilfe: Wer darf einen Antrag stellen?

Der Bezug von Bürgergeld ist an einige Bedingungen geknüpft.

Die wichtigste Voraussetzung: Das Einkommen aller Mitglieder Ihrer sogenannten Bedarfsgemeinschaft darf nicht zu hoch sein. Feste Einkommensgrenzen gibt es dabei nicht: Wie hoch das zulässige Einkommen sein darf, hängt vom konkreten Bedarf ab. So können etwa Schwangere oder Alleinerziehende einen Mehrbedarf haben. Zur Bedarfsgemeinschaft zählen nicht dauerhaft getrennt lebende Ehe- und Lebenspartner:innen sowie im Haushalt lebende Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Außerdem dürfen Sie für den Anspruch in einem Monat als Antragssteller:in nicht mehr als maximal 15.000 Euro an "sofort verfügbarem" Vermögen besitzen. Das sind zum Beispiel Barmittel, Geld auf dem Giro- und Tagesgeld-Konto und Sparbücher. Für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft sind weitere 15.000 € zulässig.

Bürgergeld und Co: Wie viel Geld bekomme ich?

Die Höhe des Anspruchs auf Sozialleistungen berechnen Sie folgendermaßen: Regelsatz plus eventuell vorliegende Mehrbedarfe plus Bruttowarmmiete plus Betriebs- und Heizkostennachzahlung. Nun ziehen Sie diese Summe von Ihrem Nettoeinkommen (abzüglich Freibeträge) ab.

Beispielrechnung: Grundsicherung

Als Beispiel für einen Anspruch auf Grundsicherung hier eine Berechnung für einem alleinstehenden Rentner mit einer Heizkostennachzahlung von 1000 Euro:
Regelbedarf: 502 Euro
Kaltmiete: 500 Euro
Heizkostenabschlag: 120 Euro
Nebenkosten: 100 Euro
Heizkostennachzahlung: 1000 Euro
Das macht einen Gesamtbedarf von 2222 Euro.
Bei einer Rente von 1500 Euro besteht ein Anspruch von Gesamtbedarf - Rente = 722 Euro

Einkommen zu hoch: Bekomme ich trotzdem Nothilfen?

Natürlich kann auch die Situation eintreten, dass das Jobcenter Ihr Einkommen als zu hoch einstuft. Dann haben Sie keinen Anspruch auf Bürgergeld.

Womöglich können Sie sich Ihre Abrechnung dennoch nicht leisten – schließlich sind die Lebenserhaltungskosten zuletzt massiv gestiegen. In diesem Fall wenden Sie sich am besten an die lokale Wohngeldstelle Ihrer Kommune. Das gleiche gilt für all jene, deren Rente zu hoch für Ansprüche aus der Grundsicherung ist. Auch sie wenden sich an die Wohngeldstelle. Was Sie dabei beachten müssen und alle Informationen rund um das Thema Wohngeld lesen Sie hier.

Sozialhilfe, Wohngeld und Bürgergeld: Die wichtigsten Fristen

Wer nicht mehr erwerbsfähig oder im Rentenalter ist, muss den Antrag im Monat der Fälligkeit der Rechnung beim Sozialamt stellen. Sonst verlieren Sie Ihren Anspruch auf Kostenübernahme.

Als Erwerbstätige haben Sie beim Bürgergeld-Antrag etwas mehr Zeit. Sie müssen Ihren Antrag bis zum Ende des dritten Monats nach Fälligkeit der Rechnung stellen. War die Nachzahlung beispielsweise im Januar 2023 fällig, können Sie das Bürgergeld für Heizkosten also noch bis Ende April 2023 rückwirkend beantragen.

Allerdings: Bis zur Auszahlung können mehrere Monate vergehen.

Daher gilt: Schnell sein. Es reicht zunächst ein formloser Antrag per Mail. Die Mail muss Ihren vollständigen Namen, Geburtsdatum und Geburtsort enthalten. Im Text muss stehen, dass Sie aufgrund der gestiegenen Energiepreise eine Übernahme der Kosten für Ihre Mietwohnung beantragen.

Wer den Antrag auf diese Weise fristgerecht einreicht, hat gute Chancen, hohe Nebenkosten nicht alleine stemmen zu müssen.

So bekommen Sie die Nebenkosten-Abrechnung in den Griff

Abrechnung prüfen:

Die Hälfte aller Nebenkostenabrechnungen sind fehlerhaft. Das betrifft falsche Kalkulationen genauso wie Formfehler.

Einsicht fordern:

Sie haben das Recht, Rechnungen und Belege zu Ihrer Nebenkostenabrechnung einzusehen. Das ist zeitlich aufwendig und zum Glück nicht immer notwendig. Kommt Ihnen aber etwas komisch vor: Machen Sie Kopien und nehmen Sie diese als Beweismittel mit. Während eine fehlerhafte Rechnung überarbeitet wird, verschiebt sich das Zahlungsziel nach hinten.

Hilfe bei Expert:innen suchen:

Wenden Sie sich an unabhängige Beratungsstellen wie die Verbraucherzentrale oder den Deutschen Mieterbund. Die Expert:innen unterstützen Sie bei allen Fragen rund um Neben- und Heizkosten.

Staatliche Unterstützung beantragen:

Rentner:innen und arbeitsunfähige Personen wenden sich an das Sozialamt. Erwerbsfähige Menschen melden sich beim örtlichen Jobcenter. Auch Menschen mit regelmäßigem Einkommen können Bürgergeld als kurzfristige Nothilfe für einen Monat beantragen.

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